Predictive Maintenance auf Schienenfahrzeugen
Mit LUNA bietet LÜTZE TRANSPORTATION ein intelligentes und modulares Steuerungssystem, das auf Ethernet TRDP und dem lokalen L-Bus2 basiert. Es wurde für das 2-polige Schalten, Überwachen und Absichern von 24 V-Aktoren in Schienenfahrzeugen entwickelt. LUNA ermöglicht eine vorausschauende Fehlerprognose und damit präventive Wartung.
Daten und Zustand eines Schienenfahrzeugs können in Echtzeit und remote in der Cloud von Fahrzeughersteller oder Betreiber ausgelesen werden. Das LUNA-System umfasst Einspeise- und Erweiterungsmodule, TRDP-Buskoppler sowie Stromüberwachungsmodule. LUNA bietet völlig neue Möglichkeiten für Wartung und Service, wie die Anwendung in einer Dual-Mode-Lokomotive zeigt.
Für Schienenfahrzeugbetreiber sind die Kosten für Wartung und Service ihrer Fahrzeuge entscheidend, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein und im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern bestehen zu können. Die wachsende Komplexität der Systeme, die schwierige Verfügbarkeit von Ersatzteilen – insbesondere für ältere Fahrzeuge oder spezielle Komponenten – sowie der Fachkräftemangel und hohe Lohnkosten zählen zu den Preistreibern. Daher sind die Hersteller gefordert, Wartungs- und Serviceoptionen anzubieten, die Effizienz, Zuverlässigkeit und Sicherheit im Bahnverkehr gewährleisten.
In diesem Kontext spielt „Predictive Maintenance“, also die vorausschauende Wartung, eine zentrale Rolle. Hierbei wird der Zustand von Fahrzeugkomponenten mittels Echtzeit-Datenanalyse überwacht, sodass bei Anzeichen von Verschleiß präventive Wartungen durchgeführt werden können, bevor die Komponente ausfällt. Dadurch lassen sich Stillstandzeiten erheblich reduzieren.
Mit dem neuen LUNA-System (Lütze Universal Network Adapter) von LÜTZE TRANSPORTATION kann eine solche präventive Wartung umgesetzt werden, wie Anwendungen in einer modernen Dual-Mode-Lokomotive zeigen. Das System ermöglicht durch permanente Stromüberwachung ein kontinuierliches Energiemanagement auf Basis der erfassten Daten. Sensordaten werden laufend analysiert, um bevorstehende Ausfälle von Verbrauchern prognostizieren zu können und erforderliche Wartungen rechtzeitig zu planen.
Neben der kontinuierlichen Stromüberwachung bietet LUNA via Ethernet TRDP die Möglichkeit, alle angeschlossenen Aktoren remote ein- und auszuschalten. Dies erlaubt die Installation von LUNA an schwer zugänglichen Einbauorten und erspart den Fahrzeugherstellern den Einsatz von zusätzlichen Relais oder Halbleiterschaltern zum Schalten von Aktoren.
Das LUNA-System ist für den Einbau in geschlossenen elektrischen Betriebsbereichen, im Fahrzeugführerstand sowie im Fahrgastraum geeignet. Es ist vollständig bahntauglich und erfüllt die Normen EN 50155, EN 50121-3-2, EN 50124-1, EN 61373, EN 45545-2 sowie die Regelung Nr. EMV 06 des Eisenbahnbundesamts. Dank der EMV 06, welche die elektromagnetische Verträglichkeit im Eisenbahnumfeld regelt, sind Nachrüstungen (Retrofit) durch den Betreiber möglich.
LUNA-Systemkomponenten - Einspeise- und Erweiterungsmodule
Die LUNA Kompakt-Einspeisemodule sind Funktionsträger mit 6 bzw. 11 Steckplätzen. Hierbei ist der erste Steckplatz für einen Buskoppler vorgesehen, die restlichen Steckplätze können mit Stromüberwachungsmodulen belegt werden. Das System kann mit Hilfe von Kompakt-Erweiterungsmodulen (6 bzw. 11 Steckplätze für Stromüberwachungsmodule) auf bis zu 32 Stromüberwachungsmodule erweitert werden. Die Erweiterungsmodule müssen separat eingespeist werden, während die interne Kommunikation über den L-Bus2 durchgeschleift wird.
Mit den LUNA Einspeise- und Erweiterungsmodulen hat LÜTZE TRANSPORTATION bahntaugliche Kompakteinheiten entwickelt, die sich signifikant von herkömmlichen Industrie-Steckgehäusen unterscheiden. Beim LUNA-System sind weder Data Bridges noch Power Bridges erforderlich, was die Montage erheblich vereinfacht. Herkömmliche Steckverbindungen verursachen oft Übergangswiderstände, die die Einspeiseströme reduzieren können. Da das LUNA-System ohne diese zusätzlichen Steckverbindungen auskommt, sind Einspeiseströme von bis zu 100 A pro Einspeise- bzw. Erweiterungsmodul möglich.
LUNA-Systemkomponenten - Stromüberwachungs- und Sicherungsmodule
Die LUNA-Sicherungsmodule zeichnen sich durch ihre kompakte Baubreite von 22,5 mm aus, was eine platzsparende Installation ermöglicht. Im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Industriesystemen sind die Module zweikanalig ausgelegt. Das bedeutet, dass in einem Gehäuse zwei Lastüberwachungen verbaut sind, die im Fehler- oder Überstromfall zweipolig galvanisch getrennt abschalten: Zunächst unterbricht ein Transistor den Stromfluss im Plus-Pfad. Danach öffnet je ein Relaiskontakt im Plus- und Minuszweig und sorgt so für eine 2-polige, galvanisch getrennte Abschaltung.
Bei vergleichbaren Industrie-Systemen ohne galvanische Trennung, bei denen nur ein Transistor abschaltet, können Leckströme auftreten, die weiterhin über den Transistor fließen. Diese Leckströme sind zwar meist sehr klein, können aber in voll geerdeten Netzen (TN-Systeme) und IT-Netzen (isolierte Erdungssysteme) erhebliche Probleme verursachen. In TN-Systemen können Leckströme dazu führen, dass Fehlerstromschutzschalter (RCDs) oder Leitungsschutzschalter (MCBs) auslösen, obwohl kein gefährlicher Fehlerstrom fließt. In IT-Systemen könnten kleine Leckströme die Isolationsüberwachung beeinträchtigen und die Fehlererkennung erschweren.
Für die Sicherungsmodule wurden äußerst präzise und realitätsnahe Charakteristiken entwickelt: flink, mittel, träge 1, träge 2 und träge 3. Diese fünf Kennlinien wurden elektronisch nachgebildet und weisen deutlich weniger Toleranzen auf als idealtypische Kennlinien, die auf magnetischen oder thermischen Prinzipien basieren. Ein Nachteil des thermischen Prinzips ist beispielsweise, dass das Abschaltverhalten zwischen einem kalten und einem warmen Leitungsschutzschalter erheblich variiert. Im Bahnbereich, wo große Temperaturschwankungen auftreten, ist dies besonders problematisch. Die elektronisch nachgebildeten Kennlinien der LÜTZE Transportation bieten eine wesentlich zuverlässigere und konsistentere Performance.
Die elektronischen LUNA-Lastüberwachungen gibt es in drei Varianten:
- Einstellbarer Strombereich DC 1 A – 6 A | Kanal 1: DC 6 A; Kanal 2: DC 6 A
- Einstellbarer Strombereich DC 1 A – 10 A | Kanal 1: DC 10 A; Kanal 2: DC 6 A
- Einstellbarer Strombereich DC 1 A – 10 A | Kanal 1: DC 10 A; Kanal 2: DC 10 A
Alle Lastüberwachungsmodule verfügen über je eine fest installierte Schmelzsicherung im Plus- und Minuspfad, um bei Ausfall der Elektronik den Leitungsschutz zu gewährleisten. Die 6 A -Kanäle sind mit einer 10 A- und die 10 A-Kanäle mit einer 15 A-Sicherung abgesichert. Die Querschnitte der angeschlossenen Leitungen müssen auf den Auslösestrom dieser Backup-Sicherungen ausgelegt sein.
LUNA-Systemkomponenten - TRDP-Buskoppler
Der LUNA TRDP-Buskoppler mit Rückwandbus L-Bus2 wird auf dem ersten Steckplatz der Einspeisemodule eingesetzt. Bis zu 32 Lastüberwachungsmodule (Devices) können angeschlossen werden. Auf Grund des modularen Aufbaus ist optional auch die Anbindung an andere Feldbusse möglich.
Anwendungsbeispiel in einer Dual-Mode-Lokomotive - Ein System vier Funktionalitäten
Der Einsatz in einer modernen Dual-Mode-Lokomotive für den Güterverkehr zeigt exemplarisch die Möglichkeiten des LUNA-Systems. Das Fahrzeug vereint die Eigenschaften einer Streckenlokomotive mit denen einer Rangierlokomotive und bietet aktuell drei Antriebsvarianten: Oberleitung + Diesel, Oberleitung + Batterie sowie Batterie + Diesel. Das LUNA-System ermöglicht dabei vier Funktionalitäten auf der Lokomotive:
- Absicherung und intelligente Stromüberwachung
- Permanente Stromüberwachung für „Predictive Maintenance“
- Energiemanagement
- Schaltelement für Verbraucher
Die intelligente Stromüberwachung meldet Grenzüberschreitungen der Lastströme, schaltet bei Überlast gemäß der gewählten Charakteristik ab und kann über die Steuerung wieder aktiviert werden. Zum Schutz der Verdrahtung sind konventionelle Schmelzsicherungen im Plus- und Minuspfad integriert.
Mit der permanenten Stromüberwachung des LUNA-Systems kann der Zustand jedes angeschlossenen Verbrauchers überwacht werden. Wartungsprognosen lassen sich im Sinne einer „Predictive Maintenance“ erstellen. Beispielsweise weist ein erhöhter Anlaufstrom oder ein kontinuierlicher Stromanstieg bei einem Motor auf einen möglichen Lagerschaden hin. Dauerhafte Änderungen von Strom und Spannung ermöglichen Rückschlüsse auf den Zustand eines Aktors, sodass präventive Wartungen rechtzeitig durchgeführt werden können. Dies reduziert die Häufigkeit von Totalausfällen und ermöglicht eine langfristige, kostengünstigere Wartungsplanung. Über die TRDP-Anbindung können die Überwachungsdaten auch in die Cloud von Fahrzeughersteller oder Betreiber gebracht und dort für tiefergehende Analysen genutzt werden.
Das LUNA-System übernimmt das Energiemanagement des DC 24 V Bordnetz der Dual-Mode-Lokomotive. Bei kritischen Spannungszuständen kann so ein Abschaltprofil mit verschiedenen Stufen und Prioritäten umgesetzt werden. Verbraucher mit Komfortfunktionen können beispielsweise zuerst abgeschaltet werden, während sicherheitsrelevante Funktionen weiterhin in Betrieb bleiben.
LUNA fungiert auch als digitales Ausgangsmodul, um Verbraucher remote ein- und auszuschalten. Elektronische Sicherungen steuern u.a. Verbraucher wie Signal- und Führerhausbeleuchtung, Trittstufen- und Umlaufbeleuchtung sowie Scheibenheizungen. Dies ermöglicht eine Kombination aus elektronischer Sicherung und Schaltelement, wodurch der Einsatz von Relais oder Halbleiterschaltern überflüssig wird.
Hintergrund TRDP statt MVB
LÜTZE TRANSPORTATION setzt bei LUNA aktuell auf TRDP (Train Real-time Data Protocol), da es eine deutlich größere Menge an Diagnosedaten im Vergleich zu MVB (Multifunction Vehicle Bus) übertragen kann. Zudem ist die Anzahl der adressierbaren Teilnehmer bei MVB begrenzt. Die zentralen Vorteile von TRDP-Ethernet gegenüber MVB sind:
- Datenübertragungsrate und Bandbreite: TRDP-Ethernet bietet gegenüber MVB-Ethernet höhere Datenübertragungsraten und größere Bandbreiten von 100 Mbps bis zu mehreren Gbps. MVB bietet begrenzte Datenübertragungsraten, typischerweise bis zu 1,5 Mbps
- Flexibilität und Skalierbarkeit: Der MVB-Feldbus ist weniger flexibel und skalierbar als TRDP. TRDP basierte Netzwerke sind leicht erweiterbar und unterstützen eine große Anzahl von Geräten und Kommunikationsknoten.
- Netzwerktopologie: TRDP-Ethernet unterstützt verschiedene Netzwerktopologien wie Stern, Baum und Ring, die flexiblere Netzwerkkonfigurationen ermöglichen als MVB, welcher auf die Bus-Topologie limitiert ist.
- Fehlertoleranz und Zuverlässigkeit: TRDP- Ethernet bietet gegenüber MVB fortschrittliche Mechanismen zur Fehlererkennung und -korrektur was die Zuverlässigkeit erhöht.
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Autoren: Andreas Schindler Produktmanager bei LÜTZE Transportation und Volker Nefzer R&D Projektleiter bei der Friedrich Lütze GmbH
Bildnachweis Titelbild: Wartung an einem Schienenfahrzeug (istockphoto.de)