KI Bahn - Lütze Transportation GmbH

KI im Ökosystem Schiene

Mit Künstlicher Intelligenz assoziiert man Innovation. Sie dringt mittlerweile in alle Bereiche unseres Lebens vor, so auch beim Reisen. Doch wie steht es um die Bahnbranche? Bietet KI die Möglichkeit, den Schienenverkehr zu modernisieren?

Jährlich reisen weltweit Milliarden von Menschen mit dem Zug. Es sind zwar derzeit noch weniger als bei Flugreisen, aber der Bahnverkehr ist keineswegs überholt. Um im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln im Bereich Sicherheit und Komfort konkurrenzfähig zu bleiben, muss sich die Bahnbranche aber weiterentwickeln, insbesondere, was die Digitalisierung betrifft. Innovative Technologien, basierend auf KI und maschinellem Lernen bieten den Bahnen enormes Verbesserungspotenzial. Dazu im Folgenden fünf Möglichkeiten, wie KI den Schienenverkehr verbessern kann.

Autonome Züge

Die offensichtlichste Anwendung von KI in der Bahnbranche ist die Einführung autonomer Züge. Es existieren bereits funktionierende Prototypen von fliegenden Fahrzeugen, selbstfahrenden Autos und sogar fliegenden selbstfahrenden Fahrzeugen. Während die Welt heute von selbstfahrenden Autos fasziniert ist, betreiben viele Bahnsysteme bereits seit Jahrzehnten erfolgreich autonome Züge. 1968 wurde die Victoria Line der Londoner U-Bahn als erste vollautomatisierte U-Bahnlinie eröffnet. Heute betreiben Städte wie Paris, Dubai, Tokio oder Barcelona moderne, fahrerlose Stadtbahnen. Im Bereich des Nicht-U-Bahn-Schienenverkehrs enthüllten Siemens und die größte europäische Eisenbahngesellschaft Deutsche Bahn im Oktober 2021 den weltweit ersten automatisierten fahrerlosen Zug in Hamburg, im Rahmen eines 70-Millionen-Euro-Modernisierungsprojekts. China nahm zur Winter-Olympiade 2022 einen vollständig autonomen Hochgeschwindigkeitszug in Betrieb. Mit 350 km/h befördert er seine Passagiere von der Innenstadt Pekings in nur 50 Minuten zu den Olympischen Stätten. Ein regulärer Expresszug benötigt im Vergleich dazu drei Stunden.

Und so funktioniert es: Die automatische Zugsteuerung (ATO) kontrolliert das Traktionssystem und die Bremsen des Zuges. Die ATO erhält aktuelle Verkehrsinfos über Funk, um die Betriebsabläufe in Echtzeit anzupassen. Die Effizienzsteigerung erfolgt durch Optimierung der Geschwindigkeit und Reduzierung des Bremsens. Das Ergebnis sind pünktlichere Züge, stabilere Fahrpläne, höherer Reisekomfort, geringerer Energieverbrauch und reduzierte mechanische Beanspruchung der Fahrzeuge. Die automatisierte Betriebsweise ist zudem dafür bekannt, dass das Unfallrisiko durch Eliminierung menschlicher Fehler reduziert wird, was uns zum wichtigen Thema Sicherheit im Schienenverkehr führt. Hier kann KI in Kombination mit Videoüberwachung sehr hilfreich sein.

CCTV für Passagiersicherheit und Service

Wir sind Überwachungskameras in unserer Umgebung zwischenzeitlich gewohnt. Es wird geschätzt, dass weltweit über 1 Milliarde solcher Kameras installiert sind. Das Hauptziel der Videoüberwachung ist die Sicherheit. Mit Hilfe von KI-unterstützter CCTV-Technologie (Closed-Circuit-Television) können Bedrohungen jedoch noch effizienter erkannt und darauf reagiert werden. In der Bahnbranche können an Bahnhöfen installierte Kameras Personen auf den Gleisen erkennen und sofort das Aufsichtspersonal informieren, die den Zug anhalten und so Leben retten können. Ein Beispiel für diese Technologie ist die Implementierung eines solchen Systems durch die Docklands Light Railway in London. Der Betreiber hat Erkennungszonen entlang des Bahnsteigrands definiert. Wenn eine Person die Zone betritt, ertönt ein Alarm und im Kontrollzentrum wird umgehend ein Live-Video angezeigt. Ähnliche Computer Vision-Technologie erkennt auch auffälliges Verhalten. Sie kann sogar darauf trainiert werden, aggressives Benehmen, Herumlungern, Diebstahl oder unbeaufsichtigtes Gepäck zu identifizieren und Sicherheitsteams zu alarmieren.

Digitale Assistenten

Eine weitere Anwendung der durch KI verbesserten Videotechnologie ist die Analyse der Passagierdichte in den Waggons. Das System sendet diese Informationen an die wartenden Passagiere am Bahnhof, damit sie zu einem weniger überfüllten Waggon gelenkt werden können, und so kommen wir von der Sicherheit zu Komfort und Servicequalität. Ein weiteres Potenzial für KI-Anwendungen sind digitale Assistenten. Besitzer eines IPhone, sind wahrscheinlich mit dem digitalen Sprachassistenzsystem Siri vertraut. Wer jemals mit einem Smart Home-System zu tun hatte, könnte Alexa oder Google Assistant verwendet haben, und wahrscheinlich gehören die meisten Leser zu den 1,5 Milliarden Menschen, die schon einmal auf einen Online-Chatbot gestoßen sind. All diese Werkzeuge werden durch konversationsbasierte KI betrieben. Diese Technologie kann die natürliche Sprache des Nutzers verstehen und personalisierte Antworten liefern.

Beispiele:

  • Amtrak brachte 2001 seinen virtuellen Assistenten JULIE auf den Markt, um Passagieranfragen zu bearbeiten. Heute beantwortet Julie jährlich 5 Millionen Fragen, bucht Tickets und bietet hilfreiche Informationen wie Fahrpläne, Wegbeschreibungen, Rückerstattungs- und Gepäckrichtlinien und vieles mehr.
  • Die indischen Eisenbahnen präsentierten 2018 ihren Chatbot DISHA. Dieser intelligente zweisprachige Assistent verarbeitet täglich etwa 150.000 Passagieranfragen und steigert die Kundenzufriedenheit um 70 Prozent. Gleichzeitig reduzierte er die Nutzung anderer Kommunikationskanäle um 70 Prozent, was die Belastung der Kundenserviceteams verringerte.
  • Japan Railways startete ihren mehrsprachigen BEBOT, um Besucher am Bahnhof Tokio zu führen. Er kann Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Währungsumtauschbüros und Sehenswürdigkeiten in der Umgebung liefern.

Routenplanung und Fahrpläne

Eine weitere Möglichkeit, wie KI den Schienenverkehr verbessern kann, ist durch Routenplanung und Fahrpläne. Heute verkehren viele Züge auf jahrhundertealten, nicht mehr optimalen Strecken und verpassen dabei Gebiete mit hoher Nachfrage. KI-Werkzeuge analysieren sowohl historische als auch Echtzeitdaten zu Ticketverkäufen und Reisemustern. Auf diese Weise erkennen sie Trends im Passagierfluss und finden Wege zur Optimierung der Zugrouten und Fahrpläne. Darüber hinaus kann KI solche Informationen wie Wetterwechsel, Feiertage oder besondere Ereignisse berücksichtigen, um die Nachfrage vorherzusagen und die Schienenbetriebsabläufe optimal an die tatsächlichen Passagierbedürfnisse anzupassen. Toshiba, ein Technologieanbieter aus Japan, erstellte ein digitales Zwillingsmodell für den britischen Bahnbetreiber Greater Anglia, um dessen Betrieb zu optimieren. Digitale Zwillinge sind im Wesentlichen virtuelle Repliken, die reale Umgebungen nachbilden. Diese Technologie hilft dabei, die Systemleistung besser zu verstehen und verschiedene Szenarien auszutesten oder zu simulieren, um das optimale Szenario zu finden. Der von Toshiba erstellte digitale Zwilling ist darauf ausgelegt, das Schienennetz von Greater Anglia zu analysieren und deren Fahrpläne zu verbessern. Was passiert, wenn Verzögerungen auftreten und geplante Fahrpläne gestört werden? Das hybride Verkehrsmanagementsystem von Hitachi ist eine der Lösungen, die entwickelt wurden, um betriebliche Störungen zu bewältigen. Es integriert intelligente, ML-basierte Technologie, um Fahrpläne und Zugrouten in Echtzeit automatisch neu zu berechnen und anzupassen.

Interne Betriebsabläufe

Neben passagierrelevanten Prozessen kann KI die internen Betriebsabläufe erheblich verbessern. Sie spielt eine wesentliche Rolle bei der vorausschauenden Wartung, der Inspektion von Schienen und der Verhaltensanalyse sowie vielem mehr. Heute installieren Bahngesellschaften zahlreiche Sensoren an Gleisen und Eisenbahnfahrzeugen. Dadurch werden Züge zu einer Art rollenden Datenzentren. Leistungsstarke Bordcomputer analysieren die eingehenden Daten und finden Wege, um die Betriebseffizienz, Zuverlässigkeit und Sicherheit zu erhöhen. Der französische Bahnbetreiber SNCF hat über 10 Jahre hinweg Tausende von Sensoren und Übertragungsgeräten in seinem Schienenbestand installiert. Die Ergebnisse dieses anspruchsvollen Projekts sind beeindruckend: Heute analysieren sie über 8.000 Variablen pro Zug, darunter 2.000 in Echtzeit von mehr als 1.000 Zügen gleichzeitig. Mit Fern-Diagnose und vorausschauender Wartung können sie etwa zwei Drittel der Ausfälle vermeiden. Zudem wurden die Wartungskosten um 20 Prozent gesenkt.

Dies sind nur einige wenige Beispiele aus völlig unterschiedlichen Anwendungsbereichen, die eindrucksvoll die große Bedeutung von KI für die Bahntechnologie verdeutlichen. Ganz gleich, ob im Service zur Steigerung des Komforts der Passagiere, bei Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit oder bei der vorausschauenden Wartung, die beschriebenen und bereits im Einsatz befindlichen Anwendungen zeigen schon heute das zukünftig große Potential von KI im Bereich der Bahn.

Autor: Dimitrios Koutrouvis, Geschäftsführer Lütze Transportation GmbH

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